Samstag, 24. Januar 2009
 
Buch: War Rosa Luxemburg Feministin? PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Eva Geber   
Donnerstag, 5. Juli 2007

Frigga Haug: Rosa Luxemburg und die Kunst der Politik. Argument Verlag, Hamburg 2007, 240 Seiten, € 17,00

Im Exkurs zu Beginn des Buches nimmt sich Frigga Haug die Frage vor, ob Rosa Luxemburg Feministin war. Bevor sie gelassen damit schließen wird, dass sie es nicht war, befasst sich die Autorin jedoch akribisch mit dem Begriff Feminismus: „Unhistorisch benutzt, muss er geradezu beliebig das bedeuten, was jeweils aktuell opportun scheint.“

Für Luxemburg lag jedenfalls der Primat auf dem Klassenkampf – für die Rechte der Arbeiterin galt es zu kämpfen, nicht für jene der bürgerlichen Frau, das wäre „possenhaft“, weil diese „die fertigen Früchte der Klassenherrschaft genießt“. Also keine Feministin. „Wer aber war sie als Frau unter Sozialisten? Warum wurde sie unter Stalin tabuisiert und welches sind die Kontroversen um sie in der Arbeiterbewegung?“

Rosa Luxemburg hat die widersprüchlichste Rezeption erfahren. Sie sei nicht relevant gewesen für die Arbeiterbewegung, nicht von theoretischer Bedeutung, mit Empathie wurde hingegen ihre Naturliebe hervorgehoben. Gerade diese Hervorhebung ist Frigga Haug als ein traditionelles Weiblichkeitsmuster suspekt. Kritisch betrachtet sie nun die Rezeption und rückt das Bild zurecht, indem sie sich weniger auf Rosa Luxemburgs theoretisches Hauptwerk, Die Akkumulation des Kapitals, konzentriert, als einen gründlichen Blick auf deren zahlreiche Reden, Essays und journalistische Artikel wirft. Mit Nutzen, wenn auch oft sprachanalytisch entsetzt über Luxemburgs männlich-martialische Sprache.

Haug hat geprüft, was „aus ihren Kampfschriften für allgemeine Menschenrechte Besonderes für die Befreiung von Frauen zu gewinnen ist, … und was daraus für eine zeitgemäße Politik für Frauen zu lernen ist“. Überdies wollte sie Rosa Luxemburg „auch als Theoretikerin und Kämpferin für die Befreiung der Menschen nicht einfach den Annalen einer männlichen Arbeiterbewegung und ihrer Geschichtsschreibung überlassen“. Eine Arbeit in diesem Sinne gibt es bereits: 1982 hat die Amerikanerin Raya Dunayevskaya ein Buch veröffentlicht, das im deutschsprachigen Raum leider kaum rezipiert wurde, obwohl es in deutscher Übersetzung – bei Argument* – erschienen ist: Darin empfiehlt sie den Feministinnen, „die Gedanken zur Organisationsfrage bei Rosa Luxemburg zu studieren und die Revolution so wie sie als mehrstufigen Prozess zu sehen, nicht nur als Überwindung von Altem, sondern auch als Aufbau von Neuem. Dafür brauche es die vielfältige Bewegung der Frauen und die persönliche Betroffenheit von Politik.“ In diese Richtung bewegt sich Haugs Arbeit, die auf dem Hintergrund von Luxemburgs Biographie in Kapiteln wie „Politik der Frauen“, „Revolutionäre Realpolitik“, „Zum Spannungsverhältnis von Theorie und Empirie“, „Die Linie Luxemburg-Gramsci“ und „Hannah Arendt zu Rosa Luxemburg“ die heutige Relevanz erarbeitet.

Frigga Haug hat sich mit diesem Buch in ein gefährliches Fahrwasser gewagt. FeministInnen (jawohl, auch Männer haben sich mit der Frage nach Rosa Luxemburgs Feminismus befasst) und MarxistInnen stehen schon bereit, um für oder gegen diese Arbeit Stellung zu beziehen. Das heißt aber klar, das Buch will gelesen werden. Und der Tenor von Frigga Haug, der Lehrerin aus Leidenschaft, heißt immer: Lernen! Hier von Rosa Luxemburg lernen. Frigga Haug kann es, uns neugierig machen, in ernster Auseinandersetzung, mit plastischen Formulierungen und mit Witz.


EVA GEBER, *1941, schriftstellerische Tätigkeit ab 1960. Von 1980 bis 2002 Druckereileiterin der selbstverwalteten Brücke-Druckerei, danach freie Grafikerin. Ab Anfang der 70er feministisches Engagement. Mitherausgeberin des feministischen Magazins AUF-Eine Frauenzeitschrift und der AUF-Edition. Autorin oder Herausgeberin von u.a.: Die Frauen Wiens, 1992; Betty Paoli: Was hat der Geist denn wohl gemein mit dem Geschlecht? 2001. Neuedition dreier Werke Rosa Mayreders, 1995. Zahlreiche Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien. Lebt und arbeitet in Wien.

< zurück   weiter >